Mussten wir wirklich über die Grenze hin und her fahren, um ohne gegen Covid-Verordnungen zu verstoßen, Obi in Empfang nehmen zu können? Soweit kam es zum Glück nicht: Bald erhielt ich von der Österreichischen Tierärztekammer und dem Sozialministerium die erforderliche Antwort und wusste nun, wer die Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung ausfüllen und unterzeichnen muss. Diese Antwort war mein persönliches Highlight an „Das gibt es nicht!“ in unserer ganzen Geschichte! Dazu sei vielleicht noch angemerkt, dass mit der auf dem Formular zusetzenden Unterschrift garantiert wird, dass der Welpe seinen Geburtsort nicht verlassen hat und nicht mit wildlebenden Tieren, die Tollwut haben könnten, in Kontakt kam. Nun, wer könnte das besser bestätigen als ich? Nein, ihr habt euch nicht verlesen. Kein Tierarzt, nicht der Züchter muss das belegen. Ich. Beziehungsweise der Besitzer/Käufer des Hundes, der den Hund über die Grenze bringt. Ich weiß nicht, ob die Fassungslosigkeit oder unsere Belustigung überwogen hat. Sinnvoll fanden diese Vorgabe nämlich weder Anja noch ich. Aber immerhin hatte ich das schwarz auf weiß vom zuständigen Ministerium bestätigt. Und da ich Anja ohnehin nicht nur blind vertraue, sondern es noch dazu für sehr unwahrscheinlich hielt, dass sie mit den Welpen einen Ausflug in ein Land macht, in dem die Tollwut vorherrscht, um die Welpen an schäumende Wildtiere zu gewöhnen, gab es das große Aufatmen: Endlich waren alle transport- bzw. tierrechtlichen Aspekte geklärt! Jetzt hieß es nur noch, Corona und die damit verbundenen Reisebestimmungen im Auge zu behalten. Inzwischen schrieben wir den 27.10.2020. Waren wirklich erst zwei Wochen vergangen, seitdem ich von unserem Glück erfahren hatte? Kaum zu glauben! Aber, nur noch ein Monat warten! Obi rückte langsam, aber sicher, in greifbare Nähe.

 

Wer mich kennt, weiß, wie Facebook-affin ich bin. Trotzdem habe ich mich nicht getraut, auch nur ein Kieselchen der im Weg liegenden Steine zu posten. Aus Angst, etwas zu verschreien, sodass am Schluss doch nicht alles gut wird und wir im schlimmsten Fall bis zum Frühjahr 2021 auf unseren Herzensbuben warten müssen. Also habe ich nur (vor)freudige Bilder und Texte geteilt – immer mit zitternden Fingern.

 

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In Österreich hatten wir mittlerweile eine abendliche Ausgangssperre ab 20 Uhr – zu Anja nach Niedersachsen und ohne Pause retour, ohne gegen die Corona-Verordnung zu verstoßen, war damit unmöglich geworden. Wir hatten uns darum darauf geeinigt, uns auf halber Strecke irgendwo in der Nähe eines Feldes zu treffen. Mit allen erforderlichen Papieren und PCR-Tests, sodass wir jede noch so strenge Kontrolle mit Bravour bestehen könnten. Endlich schien alles gut. Bis auf die Corona-Zahlen, die trotz Lock-Down-Light in beiden Ländern, besorgniserregend in die Höhe schnellten. Sicherheitshalber, um einer eventuellen und für unseren Geschmack drohenden Grenzschließung zuvorzukommen, bat Anja uns an, unser Treffen auf den 18. November vorzuverlegen. Mehr als dankbar nahmen wir das Angebot an! Der freie Tag war mit unseren Arbeitgebern zum Glück schnell unter Dach und Fach gebracht.

 

Am 7. November hat mir Anja ein weiteres, großes Geschenk gemacht: Ich erhielt den Mitschnitt eines Webinars, bei dem sie bzw. ihre O-Chens im Rahmen einer Ausbildung von KynoLogisch mitwirken durften. Ich wusste schon davor, dass Anja eine ganz großartige Züchterin ist. Aber dieser tiefe Einblick in ihre Arbeit, in ihr Herzblut, hat mir ein weiteres Mal die Tränen in die Augen getrieben. Etwas zu wissen und sich etwas vorzustellen, ist etwas ganz anderes, als etwas zu sehen. Und durch ein langes Video, mit Erklärungen und entzückenden Einblicken, war es fast so, als wäre ich wirklich da. Als könnte ich Obi in den Arm nehmen, mich in seinem Fell vergraben und einfach nur staunen, was Anja ihrer Bande schon alles beigebracht hat. Mir war schon lange bewusst, dass Elfenkinder etwas ganz Besonders sind. Den Elfenhain quasi einmal „live“ mitzuerleben, hat mir auch gezeigt, vor Augen geführt, warum das so ist.

 

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Die Zeit verging wie im Flug, die ersten Besorgungen waren abgeschlossen. Leinen und Vetbeds, unter denen sich Obi so gerne vergräbt, waren bereits hier. Ein Napf und gefühlt tonnen- weise Leckerli waren bestellt. Während in Österreich die Gerüchte um einen harten Lockdown zunahmen, verschärfte Bayern die Einreisebestimmungen. Fast panisch habe ich die entsprechende Verordnung gesucht und durchforstet. Und war hinterher rundum erleichtert: Die eigentlichen Verschärfungen bedeuten für uns eine Vereinfachung, weil bei einem Aufenthalt von unter 24 Stunden in Bayern, kein PCR-Test mehr erforderlich war, um die Absonderung zu umgehen.

 

Ich begann, die Tage zu zählen und konnte es kaum noch erwarten: Nur noch eine Woche! Am Freitag würde Obi geimpft und gechipt, sonntags die Wurfabnahme. Sobald ich die Chip-Nummer und Impfausweisnummer hätte, könnte ich die Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung ausfüllen und drucken. Die Mails der Tierärztekammer und des Ministeriums lagen schon bereit, sollte sich ein Grenzbeamter genauso darüber wundern, wie ich, dass das Dokument von mir unterzeichnet war.

 

Am Freitag, dem 13.11.2020, stand dann fest: In Österreich kommt ein harter Lockdown. Dieser sollte am 17.11.2020, einen Tag vor unserer Obi-Abholung, in Kraft treten. Die Maßnahmen, die schon davor in den Medien bekannt gegeben wurden, hatten keinerlei Auswirkungen auf unsere Pläne. Darum sah ich der für Samstagnachmittag angekündigten Pressekonferenz sehr gelassen entgegen. Bis sie dann stattfand. Und in ihr eine vollständige Ausgangssperre ab 17.11 verkündet wurde… In diesem Moment habe ich tatsächlich Panik bekommen. So kurz vor dem Ziel und jetzt doch alles verloren? Ich fand keinen Flug. Keine Zugverbindung, mit der ich samt Obi nach der Wurfabnahme unter 20 Stunden unterwegs gewesen wäre. Selbst, wenn Montag bei Anja möglich gewesen wäre: Weder Lukas noch ich können am Montag einfach nicht zur Arbeit erscheinen.

Es war zum aus der Haut fahren! Was also tun? Das einzig Richtige natürlich: Kurz vor einem Nervenzusammenbruch, Anja anrufen!

 

Natürlich muss in so einem Moment auch noch WhatsApp einen Ausfall haben. Rückwirkend betrachtet, ist es fast ein bisschen zum Schmunzeln. Aber in dem Moment fand ich das alles andere als lustig.

 

Anja war gerade mit den O-Chen zu Besuch bei Andrea (Pfeilsticker). Ein bisschen Neues erkunden, fremde Gärten kennenlernen, Autofahren üben – natürlich alles Corona-konform. Zu dritt haben wir versucht, uns gegenseitig anzurufen, bis Drea auf die Idee gekommen ist, WhatsApp außen vor zu lassen und „normal“ zum Hörer zu greifen. Zu meiner Verteidigung darf ich an dieser Stelle anmerken, dass sie mir nur kurz zuvorgekommen ist. 😉 Sie hat den Hörer an Anja weitergereicht. Und was dann geschehen ist, werde ich wohl nie vergessen! Anja, die Ruhe in Person. Lösungsorientiert und mit Ideen. Klärte kurz ein paar Dinge und rief mich zurück:

Dieter Asendorf, der am Sonntag die Wurfabnahme durchführen sollte, hat sich nach Anjas Anruf dazu bereit erklärt, sich die Zeit zu nehmen und die Abnahme spontan noch am späten Nachmittag des Samstags durchzuführen, damit sich Anja samt Obi schon am Sonntag auf den Weg Richtung Süden machen kann. So, wie ich es auch bei Anja schon immer wusste, war mir natürlich auch bei den lieben Eulenstädtern schon seit vielen Jahren bewusst, dass es sich um ganz besondere Menschen handelt. Was hier aber Dieter und Heike, Anja und mir zuliebe, spontan und kurzfristig umgeworfen und möglich gemacht haben, habe ich bis dahin nicht einmal zu denken gewagt.

An dieser Stelle darum meinen aufrichtigen, unendlichen Dank in die Eulenstadt! Ich bin immer noch einfach nur sprachlos!

 

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Da Anja noch einen anderen Termin am Sonntag hatte, verabredeten wir uns für ca. 18 oder 19 Uhr in Velburg. So wären Lukas und ich zwar nicht vor 20 Uhr zu Hause, wie es die aktuelle Ausgangssperre verlangte, die 150 Euro Strafe für dieses Vergehen würden wir jedoch gerne in Kauf nehmen, wenn wir dafür nur zu unserem Obi kämen. Aber auch hier kamen uns noch einmal unerwartete Engel zur Hilfe: Onnos Familie, die am Vormittag des Sonntags einen letzten Besuch ihres Hundes geplant hatten, bevor sie ihn abholen würden, verzichteten auf ihren Besuch, damit Anja früher los kann und wir – ganz verordnungskonform – vor 20 Uhr zu Hause sein konnten. Mir wildfremde Menschen, die ich nie zuvor gesehen oder gehört hatte, verzichten mir zuliebe auf Zeit mit ihrem Herzenshund! Es gelingt mir nicht, Worte zu finden, die meiner Dankbarkeit auch nur im Ansatz gerecht werden könnten. Es gibt solche Worte nicht. Es gibt keine Steigerung für Danke. Es gibt auch keinen Ausdruck dafür, wie sehr mich das alles berührte. Es macht mich hilflos, nicht mitteilen zu können, wieviel mir diese Unterstützung bedeutete.

 

Dass diese selbstlose, bedingungslose Hilfe mich in meinen Grundfesten erschüttert, auf eine wunderbare Art und Weise: DAS ist für mich viel mehr als Gemeinschaft. DAS ist für mich das Herz und der Puls unseres Vereins. DAS, das uns besonders macht. DAS, das uns ausmacht.

Aber ihr merkt: Wir nähern uns dem Ende. Die Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung, fix fertig ausgefüllt und von mir unterschrieben, und die Mails von Tierärztekammer und Ministerium lagen ausgedruckt in meiner Tasche. 2 Leinen, Wasser, Decken und Handtücher, Leckerli, unsere Ausweise. Ich in meiner Chebo-Weste. Wir waren bereit. Den Link zur bayrischen Verordnung, dass wir keinen PCR-Test benötigen, auf dem Handy gespeichert, fuhren wir zu dritt los. Ja, zu dritt. Auch meine Älteste, Pia, schon lange genauso verzaubert von Obi wie ich, ließ es sich nicht nehmen, mit uns zu fahren. 10 Stunden im Auto? Kein Thema. Hauptsache Flauschebär! Lea hatten wir in der Obhut von Arleena und meiner Mutter gelassen, damit die Kleine nicht den ganzen Tag im Auto sitzen muss.

 

An der Grenze bei der Einreise nach Deutschland standen zwar Beamte, hielten uns aber nicht auf. Die erste Last, die von mir fiel – jetzt hieß es nur noch, auch auf der Rückfahrt keine Probleme zu bekommen. Eine Abfahrt vor Velburg fuhren wir noch schnell ab, um Kaffee zu holen. Dort stellten wir fest, dass es einen Hundefreilauf gab, aber zuerst noch einmal schnell auf die Autobahn. Zu DER Abfahrt. Treffpunkt. Anja stand schon da. Ich konnte sie nicht umarmen! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gerne ich sie gedrückt hätte. Und wie unendlich schwer es mir fiel, das nicht zu tun. Diese Frau, die so viel für uns getan hat, die ich so unglaublich schätze. Und wir hielten brav zwei Chebo-Längen Sicherheitsabstand… Nach einer kurzen, aus der „Ferne“ herzlichen Begrüßung sind wir schnell zurück zum Hundefreilauf gefahren. Dann konnten wir unseren Obi endlich zum ersten Mal in Natur sehen, ihn zum ersten Mal knuddeln und drücken.

 

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(Ja, die Leinen mussten sein, weil der Freilauf nicht ganz dicht war)

 

Wir waren ganz verzaubert. Nicht nur wir. Ein junger Mann hat uns auf Englisch angesprochen, ob die Puppys zum Verkauf stünden. So etwas passiert einem auch nur mit kleinen Chebo. 😉 Die Bande konnte sich rund eineinhalb Stunden die Beine vertreten, toben und schnüffeln, während wir plauderten und ganz verzückt beobachteten. Der zuvor organisierte Kaffee (danke Andrea noch einmal für deinen Tipp – Cappuccino mit Zucker war goldrichtig!) wurde einstweilen im Auto kalt, da der Hundefreilauf zu einer Fastfoodkette gehört, auf deren Grund nicht konsumiert werden darf. Nun galt es nur noch, die Formalitäten zu erledigen. Stolz nahm ich meine erste Ahnentafel der ERU Canis Gemeinschaft e.V. in Empfang und verstaute ein Futter- und Welpenpaket im Kofferraum. Ein Vetbed wurde im Fußraum aufgebreitet, damit es Obi schön kuschelig hat. Selbstverständlich wurden auch Abschiedsfotos mit der zauberhaften Mama, und Begrüßungsfotos mit dem überglücklichen neuen Frauchen gemacht.

 

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Ob wohl auch bei der Rückreise alles gut ging, wollt ihr wissen? Nun, das erfahrt ihr bestimmt nächste Woche.

 

 

Fotos:

„5 um den Futternapf“: Anja Frantzen

Obi pur: Anja Frantzen

Screenshot aus Google Maps: Anita Rastbichler

Hundefreilauf, Abschied und Willkommen: Lukas Rastbichler